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Bunte Blumen im KZ-Alltag

Restaurator Wulf Stehr bei der Arbeit in der Gedenkstätte.

Sensationelle Funde historischer Häftlingsmalereien in der KZ-Gedenkstätte Laura

18 Monate lang diente die alte Scheune bei Lehesten als Unterkunft für mehr als 2.000 Menschen, die aus ganz Europa ins „Fröhliche Tal“ verschleppt wurden, um während des Zweiten Weltkrieges der Rüstungsindustrie zu dienen. Bis heute sind im ehemaligen KZ Laura, der grauen Hölle im Schieferberg, zahlreiche Wandmalereien erhalten, mit denen die Häftlinge ihre karge Umgebung verzierten - um Farbe und Leben in den Alltag zu bringen und vom allgegenwärtigen Tod abzulenken.

Nach dem Erwerb des denkmalgeschützten Gedenkstättenensembles im Jahr 2010 durch den Landkreis Saalfeld-Rudolstadt erfolgte - dank der Förderung durch das Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur -  die umfangreiche Sanierung und Neugestaltung des ehemaligen Buchenwald Außenlagers. In Zusammenarbeit mit der Stiftung Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau-Dora, dem Thüringischen Landesdenkmalamt und dem Förderverein Gedenkstätte Laura e.V. wurde eine moderne und besucherfreundliche Infrastruktur entwickelt und baulich umgesetzt. Die Ausstellung im Innen- und Außenbereich wurde neu konzipiert, inhaltlich erweitert und auf den aktuellsten Wissensstand gebracht. 

Die Scheune als Herz der Gedenkstätte, die bis dato nur zu einem Drittel begehbar war, wurde für Besucher vollständig geöffnet und somit in Gänze erfahrbar gemacht. Der Zustand des bislang unzugänglichen Teils der Scheune war erschreckend und der Würde des Ortes unangemessen. Gefüllt mit baulichen Altlasten und Einbauten waren auch die Wände des früheren Kaporaumes im Inneren mit Gipskartonwänden verbaut. Durch fachgemäße Beseitigung der Vorblendungen trat schließlich die vollständig erhaltene Wandbemalung der  Häftlinge zum Vorschein. Ein historischer Moment für die Gedenkstätte Laura und ein wiederentdecktes, authentisches Zeugnis der Lagergeschichte.     

Schablonenartige Tulpen, bunte Tupfer, grüne und rote Bänderungen, blaue Zickzacklinien und sogar ein Frauenakt für die privilegierten Kapos zieren die Wände und Balken der ehemaligen Häftlingsunterkunft und geben uns einen Einblick in den Alltag einer KZ-Welt, in der sonst die blau-weißen Streifen der Häftlingskleidung dominierten. Die angezweifelte Originalität der Farbfassungen und Schriftzüge konnte mittels eines restauratorischen Gutachtens im Jahr 2011 bestätigt werden, wobei ein erheblicher Teil der Malereien erst im Zuge der Sanierungsmaßnahmen entdeckt wurde.

Vor kurzem nun eine neue Sensation – bei der Freilegung eines Wandabschnittes im mittleren Teil der großen Schieferscheune traten zahlreiche weitere originale Häftlingsmalereien zum Vorschein. Die Klarheit und Einfachheit der Farben und Formen beeindrucken den Betrachter, vor allem aufgrund des guten Erhaltungszustandes der über 70 Jahre alten Malereien.

Dank der Förderung durch das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie war nach der Erarbeitung des Gutachtens auch die zweite Maßnahme der Sicherung der Wandmalereien im gesamten Scheuneninneren möglich. Die authentischen Farbspuren sind nicht nur Ausdruck der Sehnsucht nach Leben und Normalität, sondern lassen uns historische Raumaufteilungen erkennen und die Geschichte des Lagers weiter rekonstruieren. Durchgeführt wurden die Arbeiten von dem Restauratorenteam Dana Weinberg und Wulf Stehr, die bereits das Gutachten erstellt hatten. Im Zuge der Neugestaltung der Gedenkstätte hatte man auch in der ehemaligen Häftlingsküche – dem heutigen Büro – den handbemalten, originalen Schornstein aus der Lagerzeit wiederentdeckt.

 

Das Restauratorenteam Dana Weinberg und Wulf Stehr im Interview

 

Was ist aus restauratorischer Sicht das Besondere an den Farbspuren?

 

Die freigelegten Wandfassungen und Malereien sind primäre Zeugnisse der Zeit des Konzentrationslagers, welche jahrzehntelang unter den Kalktünchen der DDR-Zeit verborgen waren und dadurch relativ unbeschädigt erhalten sind. Sie wurden von den in der großen Scheune untergebrachten Häftlingen unterschiedlichster Nationen eigenhändig geschaffen. Während der Freilegung und konservatorischen Bearbeitung überkam uns oft ein bedrückendes Gefühl, hat man doch immer auch die unmenschlichen Lebens- und Arbeitsverhältnisse sowie die Grausamkeiten der SS-Wachmannschaften sowie einiger Kapos im Hinterkopf.

 

Vermuten Sie weitere Befunde in der ehemaligen Unterkunft?

 

Da der größte Teil der Wandflächen nach wie vor mit der LPG-Kalktünche überfasst ist, lassen sich mit ziemlicher Sicherheit noch weitere Wandgestaltungen finden. Sondiert wurde dies ja bereits im Zuge der restauratorischen Untersuchung 2012. Sie ähneln den freiliegenden Fassungsresten und dem vor kurzem freigelegten Wandbereich. Gestaltungen mit gestupftem Sockel, dunklem Fußsockel, schablonierten Blüten usw. sind mehrfach zu entdecken.

Interessant wäre, ob an den großen Wandflächen der ehemaligen Schlafsäle, die einfach weiß getüncht waren, Kritzeleien, Malereien oder persönliche Inschriften von Häftlingen existieren, ähnlich dem bemalten Balken im südlichen Kaporaum oder den Bleistiftkritzeleien im nördlichen Kaporaum. Wir halten das für sehr wahrscheinlich.

 

Wie gestaltete sich die Durchführung der Arbeiten?

 

Die Maßnahmen der Konservierung und Restaurierung waren, die Technologien und Materialien betreffend, von durchaus üblicher Methodik und mit anderen Objekten vergleichbar. Das Besondere liegt vielmehr in der Art des Objektes und in den Inhalten.

Hauptaufgabe war die vorsichtige mechanische Freilegung mit Skalpell und Bürstchen. Anschließend wurden partiell mit einem reversiblen, spannungsfreien Festigungsmittel gefährdete Farbschichten gesichert. Kleinere Ergänzungen wurden ebenfalls zur Sicherung des Bestandes mit Kalkputz ausgeführt. Alle Maßnahmen, Materialien und Techniken wurden selbstverständlich in Wort und Bild nachvollziehbar und detailliert dokumentiert.

 

Welche Botschaften vermitteln uns die Befunde Ihrer Meinung nach?

 

Die Wandfassungen, besonders in den Gemeinschaftsräumen, wurden ja, wie Frau Gropp vom Förderverein recherchiert hatte, von speziellen Arbeitskommandos, aus Häftlingen bestehend, ausgeführt. Zum einen waren Anstriche aus hygienischen Gründen notwendig, wegen der großen Anzahl der untergebrachten Häftlinge. Deshalb wurden ja auch bereits wenig später (ein bis anderthalb  Jahre später), als die Belegung mit Häftlingen in Laura wechselte, die Räume neu gefasst bzw. ausgemalt.

Die Malereien und farbigen Gestaltungen selbst erscheinen natürlich auf den ersten Blick naiv und widersprüchlich, gerade im Hinblick auf Berichte und Erinnerungen ehemaliger Häftlinge, welche von einem harten und unmenschlichen Dasein zeugen. Wir können also nur vermuten, dass zum Beispiel die gemalten Blüten und Malereien in den Kaporäumen ein Versuch waren, sich noch einen letzten Rest an Menschenwürde im KZ-Alltag zu bewahren. Möglicherweise zeigen sie auch Erinnerungen oder Wünsche, wie das Schiff oder der „Kohlefahrer“ im südlichen Kaporaum. Die entsprechende Interpretation ist vor allem eine Aufgabe für Historiker.

 

 

Was macht für Sie persönlich Laura so besonders?

 

Zum einen ist es die Bearbeitung eines Objektes aus der jüngeren – wenn auch dunkelsten Epoche – der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Meistens sind wir doch mit älteren Objekten befasst, wie Kirchen oder Schlössern, und damit Themen aus geschichtlichen Epochen, zu denen wir heute eine größere zeitliche Distanz haben.

 

Zum anderen ist das Außenlager Laura bezüglich der großen Scheune als Häftlingsunterkunft besonders, weil diese aufgrund der Nutzung nach dem Krieg durch die LPG erhalten geblieben ist und somit die Wandgestaltungen aus der Zeit des Konzentrationslagers in dieser unverfälschten Gesamtheit. Darin liegt aber gleichzeitig ein Widerspruch, da die bedenkenlose Nutzung als Feldscheune seit der Nachkriegszeit natürlich auch einen respektlosen Umgang mit diesem Ort des Schreckens darstellt und nicht der offiziellen Doktrin des DDR-Staates im Umgang mit den Opfern des Faschismus entsprach. Es existierte zwar damals schon ein Gedenkstein für die Opfer des Lagers, im Grunde wird man dem Andenken aber erst in der Gegenwart gerecht.