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Der Oertelsbruch heute (Bild: Alexander Kreher)

Zwischen Schieferbergbau und Rüstungsindustrie

Die Geschichte des Schieferbergbaus im Thüringer Schiefergebirge geht bis in das 13. Jahrhundert zurück. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts wird in der Region um Lehesten und Schmiedebach Schiefer abgebaut, der als Dach-, Wand- und Tafelmaterial Verwendung findet. Der Unternehmer Oertel übernimmt Brüche, die später nach ihm benannt werden. Im zweiten Weltkrieg werden die entstandenen Stollen und Räume für das Rüstungswerk Vorwerk-Mitte genutzt.

Im Jahr 1849 übernimmt Ernst Oertel, ein regionaler Unternehmer, den Thomas- und Hauptmannsbruch. Später wird der Bruch als Oertel I bezeichnet wird. Um 1865 erfolgt die Gründung des Karlsbruchs (auch Oertel II genannt). Das Unternehmen Oertel übernimmt in den folgenden Jahren weitere benachbarte Brüche. In den Jahren 1885/1886 erfolgt der Anschluss des Oertelsbruchs an die Eisenbahn. Dadurch verbessern sich die Transportverhältnisse für die Verfrachtung des Schiefers erheblich. Im Jahr 1890 sind die Oertelschen Schiefergruben zum „größten Schieferbetrieb des europäischen Kontinents“ geworden (Selbstzuschreibung im Rückblick 1925), etwa 900 Arbeiter und Angestellte finden zu diesem Zeitpunkt Arbeit im Oertelschen Betrieb. Das spätere Lagerareal des Außenlagers Laura im „Fröhlichen Tal“ wird ab dem Jahr 1896 zunehmend als landwirtschaftliches Gut und Unterbringungsmöglichkeit der Arbeiter des Unternehmens Oertel genutzt. Die große Landwirtschaft mit insgesamt über 100 ha Ackerland und Wiese gilt als wichtiger Erwerbszweig des Oertelschen Betriebes und versorgt die Arbeiter und Anwohner mit preiswerten Erzeugnissen.

Der Oertelsbruch vor dem zweiten Weltkrieg

Im Jahr 1906 erfolgt die Gründung der Firma „Karl Oertel Schieferbrüche Lehesten G.m.b.H.“, die als neue Eigentümerin des Oertelsbruches fungiert. Die Einführung moderner Technologien und Maschinen führt zu großen Fortschritten im Abbau der Schiefer, weitere Schieferbrüche werden aufgekauft. Während des Ersten Weltkrieges und der Inflation gerät das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten. Die Produktion erreicht erst im Jahr 1925 fast wieder Vorkriegsniveau. In den Jahren 1926 und 1927 beginnt im Oertelsbruch der Untertageabbau im „Abbaufeld Nord-Ost“. 1929 wird die große Feldscheune im Landwirtschaftsbetrieb des Unternehmens Oertel errichtet. Diese wird im späteren Lagerareal als Häftlingsunterkunft genutzt und als Block 1 bezeichnet.

Rückgang der deutschen Mitarbeiter während Kriegsbeginn

In der Weltwirtschaftskrise gerät das Unternehmen Oertel in finanzielle Schwierigkeiten, nur durch umfangreiche Kredite kann die Zahlungsunfähigkeit vermieden werden. Nach der Machtübertragung an die NSDAP profitiert auch die Schieferindustrie von dem kriegsgerichteten Wirtschaftsboom im Deutschen Reich. Der abgebaute Schiefer wird unter anderem für Kasernenneubauten benötigt. Das von der Weltwirtschaftskrise schwer getroffene Unternehmen Oertel kann nun die Zahl seiner Mitarbeiter wieder erhöhen. 1935 beginnt der Schiefertiefbau im „Südwest-Feld“ des Oertelsbruchs, die entstehenden Stollen und Abbauräume werden später für das Rüstungswerk verwendet und ausgebaut. Nach dem deutschen Überfall auf Polen verliert das Unternehmen Oertel durch Einberufungen und die Abkommandierung in Rüstungsbetriebe schrittweise einen Großteil seiner Belegschaft, auch Teile der Abbautechnik werden verlegt. Spätestens ab Anfang 1940 setzt die Firma Oertel polnische Zwangsarbeiter ein. Anfang 1942 hat der Betrieb noch 158 Arbeitskräfte (ohne Angestellte), davon 21 Polen. Daneben beschäftigt der Betrieb auch französische Zwangsarbeiter.

Die Alliierten im Oertelsbruch (1945 bis 1948)

Nach der Befreiung des Lagers durch US-Truppen nutzen diese den Oertelsbruch mehrfach für Tests von Raketentriebwerken unter Beteiligung amerikanischer Fachkräfte. Kurz vor Übergabe des Gebietes an die Rote Armee wird ein Teil der Spezialausrüstung demontiert, einige deutsche Fachkräfte und Angehörige der Betriebsleitung setzen sich in die westlichen Besatzungszonen ab. Im Juli 1945 übernehmen sowjetische Truppen die Reste des Rüstungswerkes in Schmiedebach. Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland nutzt neben anderen Rüstungsstandorten auch die Triebwerkstestanlage im Ortelsbruch (Bezeichnung „ZW 8 Lehesten“). Bis zum Frühjahr 1946 finden auf den alten Brennständen sowie einem neu errichteten dritten Prüfstand eine Reihe von Tests statt. Zeitweilig wird eine komplette A4-Rakete montiert und getestet.

Ab April 1946 beginnt die Demontage der unterirdischen Anlagen im Oertelsbruch, die im Oktober weitestgehend abgeschlossen ist. Überraschend wird am 24./ 25. Oktober 1946 ein Teil des technischen Fachpersonals auf sowjetischen Befehl mit ihren Familien in die Sowjetunion abtransportiert, einige dieser Familien kehren erst nach neun Jahren zurück. Die vor Ort verbliebenen deutschen Mitarbeiter werden im November 1946 zum größten Teil entlassen. Zwischen November 1947 und Januar 1948 wird eine große Zahl der noch vor Ort befindlichen Triebwerke gesprengt. Im März 1948 erfolgt auf Befehl der Sowjetischen Militäradministration die Zerstörung der unter- und überirdischen Rüstungsanlagen durch Sprengung.