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Bei der Rastaurierung einer Wandzeichnung in der ehemaligen Häftlingsunterkunft
Restaurator Wolf Stehr bei der Arbeit (Foto: Dana Weinberg)

Forschungsarbeit

Authentische Spuren aus der Lagerzeit oder nachträglich angebrachte Verzierungen? Diese Frage galt es 2011 zu klären, als die große Scheune – ehemals Unterkunft für hunderte Häftlinge – zum Zentrum der neuen Ausstellung erweitert werden sollte. Mit Hilfe eines renommierten Restauratorenteams gibt es nun Antworten.

Restauratorische Untersuchungen: Farbspuren in der ehemaligen Häftlingsunterkunft

Im Rahmen der Sanierung und Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte Laura wurde 2011 eine  restauratorische Untersuchung der großen Scheune - ehemals Häftlingsunterkunft - in Auftrag gegeben. Das Gutachten umfasste neben Untersuchungen der Farbspuren im Innenraum auch eine konservatorische Empfehlung für deren langfristige Sicherung. Das Projekt konnte dank der Förderung des Thüringer Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur durchgeführt werden.

Authentizität bestätigt

Die Restauratoren Dana Weinberg und Wulf Stehr erarbeiteten eine umfassende Bestandsaufnahme, die vor allem im Hinblick auf die zeitliche Einordnung der Wandmalereien erstaunliche Erkenntnisse lieferte. Es konnte nicht nur die historische Authentizität der Farbspuren nachgewiesen werden, sondern auch deren Besonderheit.

So wurde festgestellt, dass während der nur 18-monatigen Zeit desIm Bild sind unterschiedliche alte Farbspuren aus der KZ-Zeit zu sehen. Lagerbestehens offenbar zwei aufeinander folgende Wandgestaltungen im Inneren der Scheune entstanden sind. Aufgrund der zeitlichen Einordnung der verschiedenen Farbschichten und den unterschiedlichen Gestaltungen sind nun Rückschlüsse auf die frühere Raumaufteilung möglich. Unter Einbeziehung von Skizzen ehemaliger Häftlinge konnte die Nutzung der einzelnen Raumabschnitte weiter konkretisiert werden. So waren die Schlafräume der Häftlinge weiß getüncht, andere Bereiche hingegen wurden mit farbigen Sockeln, Begleitstrichen, Bänderungen und Schablonenornamenten (z.B. Blumen) aufwendig gestaltet. Hierbei handelte es sich vermutlich um Gemeinschaftsräume. Besonders reich verziert wurden die so genannten Kaporäume, in denen privilegierte Funktionshäftlinge untergebracht waren. Das Anbringen zweier unterschiedlicher Farbschichten während der Lagerzeit ist vermutlich auf eine Änderung der Lagerbelegschaft zurückzuführen. Eine letzte Farbfassung umfasst nahezu den gesamten Innenraum der Scheune und stammt aus der Zeit nach 1945, als das Gebäude wieder landwirtschaftlich genutzt wurde.

Restauratorische Aufarbeitung

Im Zuge des Gutachtens erfolgte die Sicherung eines aus der KZ-Zeit stammenden Wandbildes im südlichen Kaporaum. Dabei handelt es sich um einen liegenden weiblichen Akt. Fragmente vom Aktbild sind mit einer Plexiglasscheibe davor gesichert. Gemalt wurde das Bild wahrscheinlich mit Wasserfarben und Pastellkreiden direkt auf den Putzuntergrund, wobei gestanzte Blechstreifen als Putz-Armierung dienten. Große Teile im Bereich des Putzes sind im Laufe der Jahre verloren gegangen, das Bild wurde wohl absichtlich beschädigt.

Zu Lagerzeiten waren die Böden der Kaporäume mit einer Holzdielung versehen, die nicht mehr vollständig erhalten ist. Seit 2012 kann erstmals auch der nordwestliche Kaporaum besichtigt werden, der ebenfalls farbige Wandverzierungen aufweist.  Ferner sind aus der Lagerzeit noch Elektroinstallationen in Form von Kabelresten, Lichtschaltern und Verteilerdosen sowie ein altes Ofenblech oberhalb des nördlichen Kaporaumes erhalten.

Weite Teile der ursprünglichen Malereien im zentralen Bereich der Scheune werden derzeit noch von einer weißen Farbschicht verdeckt. Diese Fassungen sollen ebenfalls freigelegt werden.

Originale Schriftzüge:  â€žLerne leiden ohne zu klagen!“

Die Inschrift oberhalb des noch erhaltenen nord-westlichen Kaporaumes stammt aus der Zeit der Nutzung der Scheune als Häftlingsunterkunft und geht auf ein Zitat zurück, das dem Deutschen Kaiser Friedrich III. zugeschrieben wird. Als er den Thron am 9. März 1888 bestieg, war er bereits unheilbar an Kehlkopfkrebs erkrankt, er regierte nur drei Monate. Seinem Sohn und Thronfolger, dem späteren Kaiser Wilhelm II., soll er gesagt haben:

„Lerne leiden, ohne zu klagen, das ist das Einzige, was ich dich lehren kann."

Der Sinnspruch wurde in den Wertekanon der Preußischen Tugenden aufgenommen und stand für Tapferkeit ohne Wehleidigkeit. Das Zitat wurde vor allem beim Militär vielfach gebraucht, zum Teil in ironischer Weise, und mehrfach auf Medaillen und Postkarten publiziert. Die Verwendung im militärischen Umfeld setzt sich bis in die Gegenwart fort. Heute ist „Lerne leiden ohne zu klagen“ der Sinnspruch der Kampfschwimmer der bundesdeutschen Marine.Das Bild zeigt den Schriftzug Lerne leiden, ohne zu klagen. Seine Anbringung in der Häftlingsunterkunft geht möglicherweise auf eine Anordnung des SS-Personals zurück, das besonders bis zur Kriegswende umfangreichen Gebrauch von vergleichbaren Sinnsprüchen machte. Als Beispiel zu nennen wären „Jedem das Seine“, das besonders durch seine Verwendung auf dem Lagertor von Buchenwald bekannt ist, oder „Arbeit macht frei“ über dem Lagertor von Auschwitz.

Alltag im Häftlingsleben: „Doch stets ein frohes Lied erklingt“

Diese Inschrift stammt ebenso aus der Zeit zwischen 1943-45. Es handelt es sich um eine Zeile aus dem Lagerlied des KZ Esterwegen im niedersächsischen Emsland. In den ersten Jahren des Dritten Reiches war Esterwegen nach dem bei München gelegenen Dachau das zweitgrößte KZ in Deutschland. Das Lied entstand vermutlich 1934 im KZ Lichtenburg durch die Adaption des Soldatenliedes „Ich bin ein Bub vom Elstertal“. Der Autor ist unbekannt. In Esterwegen wurde das Lied mit leicht verändertem Text zum offiziellen Lagerlied. Die ehemaligen Häftlinge des Lagers Esterwegen verbreiteten es auf ihrem weiteren Leidensweg nach Schließung des Lagers im Jahr 1936 in anderen Lagern. Es war 1939 eines von drei Liedern, welches die Häftlinge des Lagers Buchenwald singen durften und gelangte schließlich bis nach Auschwitz. Am „Carachoweg“ des Lagers Buchenwald, den die Häftlinge vielfach im Laufschritt unter den Schlägen der Wachmannschaften zurücklegen mussten, wurde ein Schild mit derselben Zeile angebracht. Der Zusatz „Caracho“ bei der Inschrift im Lager Laura geht möglicherweise auf dieses Schild zurück. Es gibt keine Berichte darüber, ob das Lied in Laura tatsächlich gesungen wurde, den schon längere Zeit in Haft befindlichen deutschen Lagerinsassen war es jedoch zweifelsohne bekannt.